Journal für Psychologie 2008, Jg. 16, Ausgabe 1: Bologna-Prozess. Curriculum und Paradigmen in der Psychologie. Hg. v. Irene Strasser und Peter Mattes. www.journal-fuer-psychologie.de/jfp-1-2008.html
darin : Mattes, Peter (2008). Psychologie als Kulturwissenschaft? Zur Positionierung der Wissenschaft Psychologie in den akademischen Disziplinen. Journal für Psychologie 2008, 16, Ausgabe 1 (Bologna-Prozess. Curriculum und Paradigmen in der Psychologie) . http://www.journal-fuer-psychologie.de/jfp-1-2008-3.html
Journal für Psychologie 2008, Jg. 16, Ausgabe 2: Holzkamps Grundlegung der Psychologie. Nach 25 Jahren. Hg. v. Peter Mattes und Martin Dege. www.journal-fuer-psychologie.de/jfp-2-2008.html
Journal für Psychologie 2009, Jg. 17, Ausgabe 3: Ausgewählte Einzelbeiträge. Hg. v. Peter Mattes und Jarg Bergold. www.journal-fuer-psychologie.de/jfp-3-2009.html
Psychologie und Gesellschaftskritik 2009/2010, Jg. 33/34, Heft 4/1 (Nr. 132/133), Unidämmerung, Hg. v. Peter Mattes
mit Beiträgen von Martin Wieser (Wien), Markus Brunner (Hannover), Nora Ruck, Thomas Slunecko & Julia Riegler (Wien), Lars Allolio-Näcke (Erlangen), Thomas Schmidinger (Wien), Rosa Costa & Iris Mendel (Wien), Reinhardt Brandt (Marburg), Gerhard Vinnai (Bremen), Heiner Keupp (München), Lilli Gast (Berlin)
Aus meinem Editorial:
Im Herbst 2009 überraschten Studierende die Universitäten
und die Öffentlichkeit mit einer Protestwelle, die in dieser Form und zu diesem
Zeitpunkt kaum jemand erwartet hatte. Ausgehend von der Universität für
angewandte Kunst Wien sowie der Universität Wien und sich schnell über ganz
Österreich und Deutschland verbreitend kam es zur Besetzung zentraler Hörsäle,
meist des jeweiligen Auditorium
maximum, zur Errichtung und explosiven
Ausweitung von elektronischen Kommunikationsnetzen sowie zu einer – zum wohl
ersten Mal in der jüngeren Geschichte – überwiegend positiv akzeptierenden
medialen Präsenz in der seriösen Presse. Nach nur kurzer Zeit des Hinwartens
konnten auch einschlägige institutionelle und politische Instanzen nicht umhin,
sich auf ihre Weise mit der Bewegung zu befassen.
Was war der Hintergrund? Die im vergangenen Jahrzehnt von
den Kultusbehörden der Europäischen Union entworfenen und zunehmend
verdichteten Richtlinien zur Reform des höheren Bildungswesens in den Ländern
der EU waren weitgehend an den Universitäten in Deutschland und Österreich im
so genannten Bologna-Prozess umgesetzt worden. Studiengänge waren formal und
inhaltlich vereinheitlicht, dabei ex- und internen ökonomischen und
administrativen Vorgaben entsprechend umgestaltet worden – mit massiven
Konsequenzen für die universitätsspezifische Wissensproduktion und
–reproduktion.
Für die jetzt Studierenden bedeutet dies, dass sie in
standardisierte Disziplinen eingepasst werden, deren Zeit- und
Leistungsökonomie sie sich ausweglos unterwerfen müssen. Dass Studium auch ein
Raum sein könnte, in dem offene Möglichkeiten für Wissens- und Erfahrungsgewinn
aufscheinen und gewährt werden müssen, für Neugier, Erkenntnislust und die
Erprobung eigener Gestaltungs- und Wirkungskräfte, soll zur untergegangenen,
jetzigen Realitäten angeblich nicht mehr angemessenen Idee oder zur Utopie
jenseits sichtbarer Horizonte geworden sein. In den reformierten Studiengängen
soll das Universitätsstudium als
effektives und engmaschig kontrolliertes Erlernen vorgeschriebenen Stoffes
verstanden und praktiziert werden. Hier verdichtete sich das Unbehagen,
entflammte – für manche, die noch anderes kennen gelernt hatten: endlich – der
Protest. Konsequent und erhellend, dass zur ersten und übergeordneten Forderung
die nach Bildungstatt
Ausbildung wurde.
Aber auch für manche Hochschulangehörige auf der Seite der
Lehrenden sowie im medial reaktivierten Bildungsdiskurs erwachten angesichts
dieser Bewegung vergessene, unterdrückte oder resignativ fallen gelassene
Vorstellungen vom Geist der Universität wieder. Immerhin war das Konzept der
(Persönlichkeits)Bildung der dort Arbeitenden und Studierenden sowie jenes,
dass die Universitäten als ein vom
staatlichen oder wirtschaftlichem Zwang entlasteter Ort der Forschung und des
Denkens ein Möglichkeitsraum diskursiver Erkenntnisbewegung sein sollte, seit
den Humboldtschen Reformen zu Beginn des vorvergangenen Jahrhunderts
konstitutiv für Praxis und Selbstverständnis der Universitäten im
deutschsprachigen Raum.
Vorbei und vergangen? Oder zeigt sich der Schimmer wieder
aufziehender erweiterter Praxen?
Neben genaueren Schilderungen der Ereignisse in den und um
die Studierendenproteste sowie deren Analyse und Kommentierung befassen sich
die Beiträge im vorliegenden Heft von Psychologie & Gesellschaftskritik mit dieser Frage, auch sie schwankend zwischen
trauerndem Rückblick und aufgefrischter Handlungsbereitschaft zu einer
Erneuerung jenseits von Bologna.
Wir haben dem Heft den Titel Unidämmerung gegeben. Ob die des unter- oder des aufgehenden
Lichtes sei dem Nachspüren und Beurteilen der Ereignisse durch unsere
Leserinnen und Leser anheim gegeben.